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Kunstroute 2015 in Kunstwechsel Aachen

24.9. - 11.10.2015
21 KünstlerInnen präsentieren sich im KUNSTWECHSEL Aachen, Wilhelmstr. 26.
Gastkünstler. Monika + Leo Brenner


Eröffnung der Ausstellung QUER FÄLLT EIN durch Wolfgang Becker

Das Auge der Vorsehung, das die Freimaurer verbindet, ist von einem Dreieck gefasst. Unter den Frauen des 20. Jahrhunderts ist es besetzt durch eine große emanzipatorische Arbeit der amerikanischen Künstlerin  Judy Chicago, die "Dinner Party" von 1979, an der zahlreiche Helferinnen mitgewirkt haben, die an vielen Orten gezeigt wurde und eine Fülle von kämpferischen Diskussionen ausgelöst hat. Ich hatte keinen größeren Wunsch als sie im Ballsaal der Neuen Galerie - Sammlung Ludwig zu zeigen.

Die "Dinner Party" ist ein Dreieck aus Tischen, die mit 3 x 13 Tellern gedeckt sind. Vulva-Motive zieren die Teller. Sie sind großen Frauengestalten der Vorgeschichte und Antike (Gaia, Ishtar, Judith, Sappho, Hipatia…), des Mittelalters (Roswitha von Gandersheim, Hildegard von Bingen, Eleonore von Aquitanien,

Artemisia Gentileschi….) und der Neuzeit gewidmet (Anne Hutchinson, Caroline Herschel,

Virginia Wolfe, Georgia O´Keeffe). Sie besetzen die Tafel, und 999 mythische und historische Frauen sind auf 2.300 Bodenfliesen unter ihnen verzeichnet.

Ja, Tische decken gehört ebenso zur Hausarbeit der Frauen wie Nähen, Häkeln, Töpfern. Der Pinsel zum Malen gehört den Männern. Die Künstlerinnen um Judy Chicago wie Miriam Shapiro Joyce Kozloff und Nancy Graves nahmen die Satire auf, ich zeigte ihre Arbeiten, sie wurden Teile der Sammlung Ludwig, und Ulrike Rosenbach erweiterte den feministischen Anspruch durch ihre Performances.

Damals lasen wir mit Begeisterung Linda Nochlins Essay "Why have there been no great Woman Artists?"

Das waren in der Kunstgeschichte die ersten QUERulantinnen, die quer schlugen, schossen, lebten, dachten und die ersten Bausteine zu einer QUEER THEORY schufen, die eine offene Dekonstruktion von kulturellen Klischees erlaubte - (man betrachte hier die Farbstudie auf einer Steppdecke und eine andere auf Leinwand daneben, Werke eines Ehepaars, und bekenne, es sei nicht sichtbar, welche männlich, welche weiblich ist.)

Die Dekonstruktion erfasste auch die Kunst selbst. Bis dahin hatte sie sich als Wissenschaft in den Akademien erhalten, die seit dem 18. Jh. entstanden waren, um die Maler, Zeichner und Bildhauer aus den Zwängen der Zünfte und aus der Abhängigkeit von geistlichen und weltlichen Auftraggebern zu befreien. Die Standardisierung der Ausbildung und der ästhetische Wertekanon erfassten eine Gesellschaft von Männern, gegen die sich schon im 19. Jh. Frauen empörten: MALWEIBER! Die Society of Female Artists in London 1855, der Verein Berliner Künstlerinnen 1867, der Münchener Künstlerinnenverein 1882, die National Association of Women Artists in den Vereinigten Staaten 1889. Aber Gabriele Münter, Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker studierten noch an "Damen-Akadenien", in denen Männer lehrten.

Heute haben die emanzipatorischen Auseinandersetzungen die Leidenschaft der ersten Stunde eingebüsst. Die Künste sind "entwissenschaftlicht". Sie haben ihren ästhetischen Wertekanon verloren, sie ERINNERN an Kunstwerke der Vergangenheit, an klassische Skulpturen oder Gemälde, sie zitieren sie und stellen sie in den Dienst von Bildern aktueller gesellschaftlicher Emotionen (die Flüchtlinge). Sie sind aber frei in er Wahl ihrer Medien: Scans, Farbfotos, Fundstücke wie Treibholz, Stoffpuppen, Daumenabdrücke auf Papier - der Kontext, in dem die Objekte erscheinen, bestimmt ihren Ausdruck. Jedes Objekt ist integrierbar.

"..jeder weiß, dass der Künstler zugleich etwas vom Gelehrten und etwas vom Bastler hat: Mit handwerklichen Mitteln fertigt er einen Gegenstand, der gleichzeitig Gegenstand der Erkenntnis ist."

Claude Lévi-Strauss hat in seinem Buch "Das Wilde Denken"  am bricoleur, der seit dem Neolithikum fortlebt,  das mythische Denken definiert, das das wissenschaftliche Denken begleitet.

In dieser Ausstellung bin ich gedrängt, mich an seinen Text zu erinnern. Sie zeigt einen Reichtum widersprechender Haltungen: zur Welt geöffnet, in die Nacht des Ichs eingeschlossen, hoch experimentell, kaum kunstmarktkonform, durchaus nicht rollenbesetzt weiblich, überaus mutig QUER.

 

 

  

 

 

 

 

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